DZ senkt Gerresheimer auf 'Halten' und fairen Wert auf 50 Euro

Ein paar Gedanken zu den Posts des letzten Tages.

Fangen wir mal an mit dieser kindischen Räuberpistole, die ich seit Jahren immer wieder hier lese: nämlich, dass LVs mit potenziellen Bietern gemeinsame Sache machen und in deren Auftrag den Kurs drücken. Sorry für die klaren Worte, aber was für ein BS! Wie soll denn das technisch gehen? Die LV gehen short um den Kurs zu drücken, dann kommt ein Übernahmeangebot mit einer vllt 40%igen Prämie und die LVs verzeichnen massive Verluste. Sind diese HFs non-profit organizations und die LV Manager nehmen freiwillig zweistellige Mio Verluste und den Verzicht auf einen Bonus in Kauf? Oder wie ist die Denke, wie das kompensiert wird? Warburg & KPS schicken anschließend Mitarbeiter mit nicht nummerierten Scheinen in Aldi Süd Tüten los mit Übergabe Stadtfriedhof um Mitternacht? Selbstverständlich müssen dann auch die Wirtschaftsprüfer vom HF und vom PE Fund mit einbezogen werden. In anderen Worten: ich frage mich, wie man auf so eine Idee kommt, da ist jede Chemtrail Theorie sinnvoller.

Zweiter Punkt, der vorhin schon erwähnt wurde: da draußen gibt es den ein oder anderen LV, der reine Trendfolgemodelle fährt. Sprich: die gehen ihre Shorts ein nur aufgrund von Algos/Kursentwicklung/Technik – da muss also nicht zwangsweise immer eine fundamentale Analyse dahinterstecken, geschweige denn, dass da Übernahmegerüchte stören.

Drittens: nur aufgrund der vorhandenen LV Positionen darauf zu schließen, dass es keine Übernahme gibt, ist aus meiner Sicht auch zu kurz gesprungen. Gab ja immerhin genügend Beispiele, wo dann ein Übernahmeangebot trotz hoher LV Positionen und vorheriger Gerüchte kam (Morphosys, Evotec). Bei Encavis im letzten Jahr waren auch Qube, D.E. Shaw, Helikon und LMR short positioniert. Und natürlich liegen die HFs auch schon mal ordentlich mit ihrer Markteinschätzung daneben. Ein Beispiel, das mir spontan einfällt: Qube, die jüngst ihren Gerresheimer Short aufgebaut/erhöht haben, waren vor fünfzehn Monaten auch mit fast 2% bei Rheinmetall short. Damals stand der Kurs bei 600 Euro, jetzt steht er bei 1.800 Euro. Die HFs sind weder die Zocker, für die man die hält, und die erzielen zudem ‚in the long run‘ ordentliche Renditen – aber natürlich können die auch mal gehörig daneben liegen.

Ich würde das aber nicht überwiegend den "Profis, die eine günstige Übernahme wollen" in die Schuhe schieben oder um im Bild zu bleiben, die Kanonen donnern ja nicht ohne Grund.

Wenn ein Unternehmen dreimal in 12 Monaten die Guidance nach unten korrigieren muss - und zwar, weil man den Markt falsch eingeschätzt hat und nicht weil irgendwelche bösen Mächte am Werk waren (wie z.B. die US Zölle), dann scheint es veritable Probleme im Unternehmen zu geben. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass es bei der Konkurrenz (Schott und Stevenato) ganz offensichtlich deutlich besser läuft. Wann diese Probleme wieder abgestellt werden können, weiß doch derzeit kein Mensch. Die Aussagen des Vorstands hierzu - im zweiten Halbjahr wird es wieder besser, die langfristigen Aussichten sind intakt - haben durch die erneute Prognoseänderung von vor drei Tagen sicher einiges an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Oder anders gesagt: Warum soll man einem Vorstand abnehmen, dass ab 2026 alles wieder besser wird, wenn dieser offenbar nicht einmal dazu in der Lage ist, das laufende Jahr zu prognostizieren.

Verheerend wird der Eindruck mMn aber dadurch, dass man sich erlaubt, den Dividendenvorschlag nur wenige Tage vor der HV einzukassieren und die Dividende (nahezu) zu streichen. Gerresheimer war nie ein Dividendenwert - aber wenn es schon nötig ist, den Markt mit so einer Nachricht in Aufregung zu setzen, nur um die vergleichsweise kleine Summe von gut 41 Mio Euro zu sparen (um die finanzielle Flexibilität zu sicher, wie es in der Meldung heißt), dann scheint mir doch einiges sehr arg danebengegangen zu sein (vielleicht war ja auch die Bormioliübernahme zu teuer?). Wenn man sich einigermaßen sicher wäre, dass ab Halbjahr 2 alles wieder deutlich besser und ab 2026 alles wieder gut läuft, muss man dann so einen "Aufstand" wegen 41 Mio Euro riskieren?

Ja, die Gerresheimer ist sicher im Grunde ein sehr solides Unternehmen - aber man hat dort wohl erhebliche Fehler gemacht. Das im Moment ist im übrigen nicht der erste Fehler des Vorstands. Man muss sich nur einmal die Vorstellungen durchlesen, die man seinerzeit bei Gerresheimer geäußert hat, was mit der Übernahme der schweizerischen Sensile alles vorangehen würde. Nichts ist passiert. Alle Pläne in diesem Bereich sind gescheitert, der Bereich ist nach wie vor nahezu umsatzlos und defizitär.

Ich persönlich bin mir auch nicht sicher, wie sinnhaft die (teure) Übernahme der Bormioli gewesen ist. Klar, man gewinnt Größe - aber im Grunde hat man ein Unternehmen gekauft, bei dem man einen Teil (der Bereich "Moulded Glas") im Grunde direkt wieder veräußern wollte. Ich vermute mal, dass man mit einem guten Preis für die entsprechenden Aktivitäten der Bormioli und der (alten) Gerresheimer die (teure) Übernahme gegenfinanzieren wollte.
Dass ausgerechnet der Bereich "Moulded Glas" nun so schlecht läuft, dürfte es mindestens schwerer machen, den Bereich für einen möglichst hohen Betrag loszuschlagen (mit welchen Konsequenzen für den Gesamtkonzern bleibt offen).

Zum Thema EpS: Laut GuV betrug das Konzernergebnis je Aktie im Vorjahr 3,18 Euro. Die im Raume stehenden 4,69 Euro entsprechen dem bereinigten Konzernergebnis je Aktie. Ich persönlich halte nicht viel davon, das Ergebnis um alle möglichen Aufwendungen zu "bereinigen". In 2023 lag das EpS je Aktie übrigens bei 3,48 Euro und das bereinigte EpS bei 4,62 Euro. Daraus lassen sich mMn zwei Dinge ableiten:
Erstens: war das tatsächliche Ergebnis in 2023 höher als in 2024 (und so wie es aussieht, wird das EpS in 2025 noch einmal deutlich niedriger ausfallen).
Zweitens: Offenbar handelt es sich bei den Bereinigungen um ständig auftauchende und nicht etwa singuläre Ereignisse in der GuV.
Muss aber natürlich jeder selber wissen, mit welchem EpS er/sie rechnet.

Habe mir gerade noch mal Dein Posting von damals durchgelesen und muss sagen: spot on! Was die Ambitioniertheit der damaligen Guidance und die Prognosequalität/-treue des Managements betrifft, muss man Dir im Nachhinein noch mal Respekt zollen. Dass Du dafür im Anschluss virtuell geteert und gefedert wurdest, gehört nun mal leider zu solchen Foren dazu. Zeigt aber auch mal wieder, wie wichtig auch kritische Stimmen in einem Forum sind. Danke.